09.07.2021

Bund und Länder fördern ab sofort digitalen Mikroben-Wissensspeicher

Forschungsförderung führt zur deutlich besseren Verfügbarkeit von mikrobiologischen Daten – ein Interview mit dem Mikrobiologen Prof. Dr. Jörg Overmann

Symbolbild Sichtbarmachung von Erbmaterial in einem Agarosegel

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert den mikrobiologischen Anteil der Nationalen Forschungsdaten-Infrastruktur ab sofort für die nächsten fünf Jahre. In einem Interview erläutert Prof. Dr. Jörg Overmann, Wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Instituts DSMZ-Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen, die Bedeutung der National Research Data Infrastructure for Microbiota Research (NFDI4Microbiota).

Was ist die Nationale Forschungsdaten-Infrastruktur?
Die Nationale Forschungsdaten-Infrastruktur (NFDI) wurde am 12. Oktober 2020 als Verein von Bund und Ländern gegründet. Ziel der Infrastruktur ist es, die vorhandenen Datenbestände der deutschen Wissenschaft zu standardisieren, zu sichern und besser verfügbar zu machen. Der digitale Wissensspeicher NFDI erschließt in verschiedensten Gebieten der Forschung systematisch Daten und macht diese durch Vernetzung deutlich besser nutzbar. In einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft durchgeführten wissenschaftsgeleiteten Verfahren können themenbezogene Konsortien wie unser NFDI4Microbiota um eine Förderung durch die NFDI beantragen. Wir freuen uns, dass wir jetzt gefördert werden.

Wer ist NFDI4Microbiota?
Das NFDI4Microbiota ist ein Zusammenschluss von Institutionen und Forschenden im Bereich der Mikrobiologie. Die Mitglieder bringen ihre komplementäre Expertise ein, um Forschungsdaten verfügbar zu machen und Werkzeuge bereitzustellen, mit denen mehr Daten besser analysiert werden können und dadurch Mikroorganismen wie Bakterien und Pilze besser verstanden werden können.

Welche aktuellen Anlässe sehen Sie für das Konsortium?
Aktuell von größtem Interesse und lebensrettend ist die Entschlüsselung der Erbinformation von SARS-CoV-2 und deren Variationen. Diese Daten müssen global zur Verfügung stehen und optimal nutzbar sein. Und natürlich geht es bei der NFDI4Microbiota ebenso um neue Nutzungsmöglichkeiten für Bakterien, wie die Bildung neuer Wirkstoffe, den Abbau von Plastik oder die Verbesserung der Nährstoffnutzung in der Landwirtschaft durch mikrobiologische Interventionen, an denen wir an der DSMZ arbeiten. Die Kernaufgabe des Konsortiums liegt in der Aufbereitung von digitalen Daten, die in beispielsweise diesen Forschungsgebieten generiert werden.

Wie erreicht NFDI4Microbiota seine Ziele?
Für die Forschung müssen Daten, auch im Sinne der Leibniz-Gemeinschaft, zu der wir als DSMZ seit 1996 gehören, auffindbar, nutzbar, interoperabel und reproduzierbar (FAIR principle) sein. Das Konsortium schafft dementsprechend einen besseren Datenzugang, bessere bioinformatische Analysemöglichkeiten und bietet umfassende Trainingsmöglichkeiten in diesen Bereichen an. Zum Aufgabenbereich gehört ebenfalls die Vernetzung von Forschenden, um die in Deutschland vorhandenen Expertisen optimal auszuschöpfen. Im Rahmen des Fortbildungsprogramms lernen Forschende das zielführende Datenmanagement und Standardisierung von Prozessen sowie Analysen, um die Reproduzierbarkeit der Forschung zu optimieren. Dadurch entsteht auch ein breiteres Bewusstsein für die Nutzbarkeit von Daten.

Welche Aufgaben hat das von Ihnen geführte Leibniz-Institut DSMZ innerhalb von NFDI4Microbiota?
Als global vielfältigste Bioressourcensammlung verfügen wir über mehr als 75.505 Bioressourcen, von denen ein Großteil der weltweiten Forschungscommunity zur Verfügung steht. Unsere digitale Sammlung hat zunehmende Bedeutung. Besonders hervorzuheben ist die Bacterial Diversity Metadatabase BacDive, die Nutzern die Daten von bereits jetzt mehr als 82.000 Bakterien frei, standardisiert und daher leicht durchsuchbar zur Verfügung stellt. Basierend auf dieser Expertise ist die DSMZ hauptsächlich im Bereich Standards und Strategie in das Konsortium eingebunden. Dazu gehört beispielsweise die Entwicklung von Standards im Bereich der Gewinnung, Analyse sowie Nutzung der experimentellen Daten und die Erarbeitung von Leitlinien für das Datenmanagement (freier Zugang, Reproduzierbarkeit, Konsistenz, Transparenz sowie Interoperabilität).

Das Konsortium NFDI4Microbiota setzt sich aus zehn Antragstellende und mehr als 50 teilnehmenden Institutionen zusammen. Dieses Konsortium gehört zur Nationalen Forschungsdateninfrastruktur für Deutschland – kurz NFDI. In drei von der Deutschen Forschungsgemeinschaft koordinierten Ausschreibungsrunden sollen bis zu 30 Konsortien für zunächst fünf Jahre mit möglicher Verlängerung um weitere fünf Jahre gefördert werden. Dafür stehen insgesamt bis zu 85 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung. Die NFDI4Microbiota-Konsortialführerschaft liegt bei ZB MED – Informationszentrum Lebenswissenschaften.

 

DSMZ-Pressekontakt:
PhDr. Sven-David Müller, Pressesprecher des Leibniz-Instituts DSMZ-Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH
Tel.: 0531/2616-300
Email: press@dsmz.de

Über das Leibniz-Institut DSMZ
Das Leibniz-Institut DSMZ-Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH ist die weltweit vielfältigste Sammlung für biologische Ressourcen (Bakterien, Archaeen, Protisten, Hefen, Pilze, Bakteriophagen, Pflanzenviren, genomische bakterielle DNA sowie menschliche und tierische Zellkulturen). An der DSMZ werden Mikroorganismen sowie Zellkulturen gesammelt, erforscht und archiviert. Als Einrichtung der Leibniz-Gemeinschaft ist die DSMZ mit ihren umfangreichen wissenschaftlichen Services und biologischen Ressourcen seit 1969 globaler Partner für Forschung, Wissenschaft und Industrie. Die DSMZ ist als gemeinnützig anerkannt, die erste registrierte Sammlung Europas (Verordnung (EU) Nr. 511/2014) und nach Qualitätsstandard ISO 9001:2015 zertifiziert. Als Patenthinterlegungsstelle bietet sie die bundesweit einzige Möglichkeit, biologisches Material nach den Anforderungen des Budapester Vertrags zu hinterlegen. Neben dem wissenschaftlichen Service bildet die Forschung das zweite Standbein der DSMZ. Das Institut mit Sitz auf dem Science Campus Braunschweig-Süd beherbergt mehr als 75.000 Kulturen sowie Biomaterialien und hat knapp 200 Beschäftigte. www.dsmz.de  

Über die Leibniz-Gemeinschaft
Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 96 selbständige Forschungseinrichtungen. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen - in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 20.500 Personen, darunter 11.500 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei 2 Milliarden Euro. www.leibniz-gemeinschaft.de